Work-Life-Balance: Wie Arbeitszeitverkürzung die Geschlechtergerechtigkeit fördert.

Auch heute folgt die Arbeitsverteilung in heterosexuellen Beziehungen noch hauptsächlich der traditionellen Rollenverteilung: Der Mann arbeitet in Vollzeit und die Frau in Teilzeit, damit sie überhaupt Familie und Beruf vereinbaren kann. Da Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit übernehmen und in den allermeisten Fällen auch weniger verdienen als ihre Männer, scheint es ein logischer Schritt, dass sie weniger auf Erwerbsarbeit fokussiert sind. Bei verheirateten Paaren wird diese Arbeitsteilung außerdem durch das in Deutschland noch geltende Ehegattensplitting befördert.

Obwohl Frauen mit Kindern deutlich weniger Erwerbsarbeit leisten, tragen sie die größte zeitliche Belastung. Die Zeit ist also ungerecht verteilt – zwischen Menschen, die Care-Arbeit leisten und Menschen, die keine solchen Aufgaben übernehmen. Der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Frauen ist in den letzten Jahren sogar noch weiter gestiegen: Knapp 30 % der Erwerbstätigen sind Teilzeitangestellte, davon fast 80 % Frauen. Dabei ist die Erwerbstätigenquote der Frauen in Deutschland im europäischen Vergleich eine der höchsten, die durch die vielen Teilzeitbeschäftigten aber nur eine geringe Erwerbsstundenzahl aufweist. Und doch sind Frauen hochqualifiziert und viele würden auch gerne mehr arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.

Die Teilzeitarbeit der Frauen fördert die Chancen- und Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern. Sie haben dadurch sehr viel geringere Aussichten auf eine hohe Position und auch ihr Gehalt und die späteren Rentenzahlungen fallen sehr viel niedriger aus als die der männlichen Kollegen. Die stark unterrepräsentierte Erwerbsbeteiligung von Frauen verstärkt neben dem Fachkräftemangel außerdem auch gesamtgesellschaftlich den Sexismus, da so die meisten Machtpositionen sowie das Kapital weiterhin primär den Männern vorbehalten bleibt. Auch Diskriminierung am Arbeitsplatz würde abnehmen, wenn sich der Frauenanteil erhöht. Das liegt einerseits daran, dass mehr Vielfalt das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Themen erhöht, aber auch daran, dass Frauen häufig offener und sensibler kommunizieren.

Um Frauen zu entlasten und ihre Stundenzahl am Arbeitsmarkt zu erhöhen, braucht es eine Arbeitsumverteilung und eine verkürzte Vollzeit, insbesondere für Männer. Die Arbeitszeitverkürzung sollte in Beziehungen und vor allem bei Paaren mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen dazu beitragen, dass die Männer mehr Care-Arbeit übernehmen und die Frauen sich dadurch mehr um Karriere und ihre eigene finanzielle Sicherheit kümmern können.

Neben den positiven Effekten bezüglich Gendergerechtigkeit gibt es noch viele andere Gründe, die für Arbeitszeitverkürzung sprechen. Bisherige Studien zeigten, dass es in Betrieben mit verringerter Vollzeit weniger Krankheitsausfälle gibt und die Mitarbeitenden zufriedener sind. Die Produktivität und Effizienz erhöhen sich und es bestehen weniger Schwierigkeiten neue Fachkräfte zu gewinnen. Durch die Umverteilung kann die Arbeitszeitverkürzung zudem dabei helfen, Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Arbeitnehmer*innen wie auch die Unternehmen können weitere Zeit und Energie einsparen, beispielsweise durch Reduzierung der Arbeitswege und Energieeinsparung. Es besteht daher kein Grund zur Annahme, dass eine verkürzte Vollzeitarbeitszeit zu negativen wirtschaftlichen Folgen führen würde, das Gegenteil ist der Fall.

Auch unabhängig von der Debatte um die vermehrte Integration von Frauen in die Vollzeitarbeit, ist es ein wichtiger Schritt für die Zeitgerechtigkeit, dass Männer mehr Care-Arbeit übernehmen. Um die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern nicht noch weiter zu verstärken, ist daher die Diskussion über Arbeitsumverteilung, sowie die Überwindung der Trennung von Erwerbs- und Care-Arbeit von großer Bedeutung.

Literatur

Hans-Böckler-Stiftung (2024): Auf einen Blick. Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit.

Jansen-Preilowski, V.; Paruzel, Angnieszka; W. Maier, Günter (2020): Arbeitszeitgestaltung in der digitalisierten Arbeitswelt: Ein systematisches Literatur Review zur Wirkung von Arbeitszeitverkürzung in Bezug auf die psychische Gesundheit. In: GIO. Gruppe. Interaktion. Organisation.

Steinrücke, Margareta (2013): Arbeitszeitverkürzung – ein Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit?. In: Linkswärts. Mainzer Hefte für eine linke Politik. S. 5-24.

Prössl, Christoph (2024): Kleines Wirtschaftswunder dank Vier-Tage-Woche. Tagesschau.

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