Aufbruch

Aufbruch ist ein merkwürdiges Wort – legt es doch auf den ersten Blick negative Assoziationen nahe: Bruch, mit etwas brechen – da geht etwas kaputt. Wir verwenden das Wort allerdings zumeist in einem positiven Kontext...

Aufbruch ist ein merkwürdiges Wort – legt es doch auf den ersten Blick negative Assoziationen nahe: Bruch, mit etwas brechen – da geht etwas kaputt. Wir verwenden das Wort allerdings zumeist in einem positiven Kontext: ‚Aufbruch zu neuen Ufern‘, ‚eingefahrene Muster aufbrechen‘, ‚aufbrechen und einen Neuanfang wagen‘. Und auch in der Natur bricht die Knospe auf und kündigt den Frühling an; die Larve bricht auf und entpuppt sich als Schmetterling; das Küken bricht aus dem Ei.

Aufbruch ist ein unabdingbarer Bestandteil von Leben und die Voraussetzung für Veränderung und Entwicklung. Aufbruch heißt: Ich mache mich auf den Weg, ich lasse mich auf Neues ein, ich breche Muster auf und ich lerne.

Ich erinnere mich noch sehr genau an meine erste Reise, die ich ohne meine Eltern gemacht habe. 1967, im Alter von 14 Jahren, fuhr ich im Sommer nach Südengland zu einem Sprachkurs. In meiner Selbstwahrnehmung war ich eher schüchtern und ein hässliches Entlein. Im Koffer waren meine Minikleider in den Schockfarben orange, lila und giftgrün. Und in mir eine unbändige Vorfreude auf die ‚freie‘ Zeit. Seit Januar hatte ich täglich die Tage bis zur Abfahrt abgestrichen. Drei Wochen später kehrte ich verändert zurück: Ich fühlte mich erwachsen und wusste, dass ich allein durchkomme. Meine Eltern spürten die Veränderung sofort und akzeptierten, dass ich unabhängiger war. Ich hatte eine neue Welt kennengelernt, die ich selbstbestimmt betrat und Dinge getan, die ich bis dahin noch nicht kannte. Zum Beispiel in die Disco gehen. Dort wurde ich von einem attraktiven französischen Jungen aus der Sprachschule zum Tanzen aufgefordert. Ich, das hässliche Entlein – das passte nicht zu meinem Selbstbild. Die Tage in Südengland haben mich geprägt und verändert. Die Sommerhits „San Francisco“ von Scott McKenzie, „A Whiter Shade of Pale“ von Procol Harum und „All You Need is Love“ von den Beatles sind meine Hymnen dieser Zeit.

Aufbruch braucht Wegbegleiter

Ich habe in meinem Leben eine Reihe von Aufbrüchen erlebt. Die Anlässe waren nicht immer so positiv wie mein Sprachkurs. Ich habe zum Beispiel mit meiner Ausbildung zum Lehramt am Gymnasium keine Anstellung gefunden. Anfang der 80iger Jahre wurde in den Schulen nicht eingestellt. Statt damit zu hadern, entschied ich mich für eine IT-Fachausbildung, die mir den Weg in ein neues Arbeitsumfeld, die Automobilindustrie, öffnete und damit viele neue Lern- und Entwicklungschancen.

Ich weiß, dass meine Haltung mir dabei geholfen hat, mich schnell umzuorientieren. Statt zu hoffen, dass sich irgendwann doch noch eine Anstellung im Schuldienst ergibt, habe ich geschaut, was sonst noch möglich ist. Und während dieses Aufbruchs festgestellt, dass ich Lust auf IT habe.

Aufbruch braucht Energie. Die entsteht aus Vorbildern, einer klaren eigenen Haltung, authentischen Zielen, Unterstützung und Feedback sowie Offenheit für neue Erfahrungen.

Offenheit hilft beim Aufbruch

Offenheit für neue Erfahrungen ist der Zündstoff für gelungene Aufbrüche. Offenheit ist einer der Faktoren des Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, kurz Big Five. Es handelt sich um einen Ansatz zur umfassenden Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit. Die fünf Faktoren gelten als die empirisch mit am besten nachgewiesenen Persönlichkeits-merkmale.

Der Faktor Offenheit beschreibt das Interesse und das Ausmaß der Beschäftigung mit neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Big_Five_(Psychologie):

  • Personen mit hohen Offenheitswerten geben häufig an, dass sie eine rege Phantasie haben, ihre positiven und negativen Gefühle deutlich wahrnehmen sowie an vielen persönlichen und öffentlichen Vorgängen interessiert sind. Sie beschreiben sich als wissbegierig, intellektuell, phantasievoll, experimentierfreudig und künstlerisch interessiert. Sie sind eher bereit, bestehende Normen kritisch zu hinterfragen und auf neuartige soziale, ethische und politische Wertvorstellungen einzugehen. Sie sind unabhängig in ihrem Urteil, verhalten sich häufig unkonventionell, erproben neue Handlungsweisen und bevorzugen Abwechslung.
  • Personen mit niedrigen Offenheitswerten neigen demgegenüber eher zu konventionellem Verhalten und zu konservativen Einstellungen. Sie ziehen Bekanntes und Bewährtes dem Neuen vor und sie nehmen ihre emotionalen Reaktionen eher gedämpft wahr.

Offenheit ist erlernbar

In Studien wurde nachgewiesen, dass Jugendliche, die häufiger an Austauschprogrammen teilnahmen und dabei andere Kulturen und Lebensumstände kennen lernten, höhere Offenheitswerte hatten und sich insgesamt eher auf Neues einlassen und ausprobieren.

Ursula Staudinger, Psychologin und Gerontologin, forschte und lehrte viele Jahre als Professorin u. a. an der Columbia University New York und ist seit 2020 Rektorin der Technischen Universität Dresden. Sie hat mit wesentlichen Erkenntnissen u. a. zur Plastizität, Persönlichkeitsentwicklung und Widerstandsfähigkeit das Bild von Alter und Ruhestand verändert. Ihre Forschungsergebnisse weisen nach, dass Menschen ein Leben lang lernen und sich entwickeln können. Die Fähigkeit, sich herausfordernden Situation anzupassen, steigt sogar. Dazu gehört auch, sich von festgefahrenen Zielen freizumachen und sich von einem Selbstbild zu lösen, das dem Selbst nicht (mehr) entspricht. Besonderes Augenmerk richtet sie dabei auf die Dimension ‚Offenheit‘. Sie nimmt tendenziell im Alter ab. Deshalb ist es besonders wichtig, gerade im Alter Offenheit zu trainieren – also gezielt Neues auszuprobieren.

Als ich vor über drei Jahren mit 65 Jahren meine Aufgabe als Managerin in der Automobilindustrie beendete, stand ein neuer Aufbruch an: Der Weg in meine Selbständigkeit und die Gründung von motus5. Und so trainiere ich nun täglich meine Offenheit.

Es lohnt sich, sich auf den Weg zu machen. Lernen, wachsen, sich entwickeln ist bis ins hohe Alter möglich. Und es wird belohnt – mit neuen Erfahrungen, Erkenntnissen und mit Energie und Zufriedenheit.

Wichtige Begleiter beim Aufbruch sind Vorbilder:

https://www.linkedin.com/pulse/vom-vorbild-lernen-doris-heitkamp-k%C3%B6nig/

Und Macht hilft auch dabei:

https://www.linkedin.com/pulse/ich-habe-macht-gelernt-doris-heitkamp-k%C3%B6nig/

#ichmache

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